• Kings Canyon, Northern Territory, Australien

    Wenn man um 4:40 morgens in den Toilettenblock eines Campingplatzes geht, sollte man ja irgendwie erwarten, dass man alleine ist. Weit gefehlt. Proppenvoll das Ding. Mehr los als um 17:00 abends. Das soll einer verstehen.

    Ich nicht – schließlich ist es 4:40 morgens und mein Hirn hat eine derartige Power zur Verfügung, dass ich mich freue, als ich vor dem Spiegel feststelle, dass ich immerhin eine Hose anhabe.

    Um 6:05 hupt es am Gate des Campingplatzes und unser kleiner Abholbus ist da. Auf zur Kings Canyon Tagestour!

    Um 11 öffne ich die Augen wieder und blinzele in die senkrechte Sonne, die auf den Kings Canyon Parkplatz herunterbrennt. Die Fahrt habe ich verschlafen, mit Ausnahme der ersten Ansagen von Sid, unserem Guide. Genau wie Julie am Vortag auf dem Weg zu den West MacDonnell Ranges hat er uns erklärt, dass Alice Springs seit 5 Monaten keinen Tropfen Regen gesehen hat.

    “Für heute ist Regen angekündigt, also wundert Euch nicht, wenn ich links ran fahre, rausspringe und wie ein Idiot im Regen tanze, falls es dazu kommt.”

    Es sollte nicht dazu kommen. Dafür treffen wir Kamele und Emus bei den diversen Pinkelpausen auf dem weg zum Kings Canyon.

    Am Eingang des Kings Canyon stehen kleine Tafeln, die einem kurz die geologischen Grundlagen des Canyons vermitteln. Daneben stehen große Warntafeln, die einem ausführlich erklären, dass man wahrscheinlich stirbt, wenn man die Wanderung am Canyonrand macht und wie die Überlebenden (falls es welche gibt) die dort aufgebauten Notruffunkgeräte benutzen sollten und zu welcher Zeit das dann auch irgendjemand in der Notrufzentrale hört.

    Ich schultere mein Stativ und ignoriere die Warnungen. Auch so ein netter Nebeneffekt einer geführten Tour: Man hat einen, der aufpasst. (Funktioniert nur, wenn der Guide was drauf hat. Sid hatte was drauf.)

    Der “Walk” am Kings Canyon geht einmal um den gesamten Canyon herum – und zwar oben. Das heisst, man muss erstmal hochkommen.

    Darf ich vorstellen: Heartattack Hill.

    Ich halte mich im Allgemeinen für nicht unfit, auch wenn ich in den letzten Wochen “Zigarettendrehen” statt “Crossfit” mache – ein paar Ausdauerreserven sind noch da! “Wenn Euch schwindelig wird, setzt Euch hin” hatte Sid gesagt. “Es ist einfacher, Dehydration zu behandeln als eine klaffende Kopfwunde – ich spreche aus Erfahrung.”

    Soweit die Theorie. Praktisch war mir ab dem 5. Schritt schwummrig bis wir oben waren. Was für ein Aufstieg! Keine Ahnung, wie das die anderen gemacht haben, die ihre Zigaretten nicht selbst drehen.

    Am Rand des Canyons angekommen führt die Wanderung durch eine Steinlandschaft, rot-gold flimmert das Sedimentgestein unter der Mittagssonne und man ist sich nicht sicher, ob man nun gerade über den Mars stolpert oder sich den Weg durch eine kupferne Bratpfanne bahnt (jaja, Bratpfannenvergleiche habe ich bei den Devil’s Marbles schon gebracht. Hat jemand einen besseren Vorschlag?)

    Sid passt gut auf die Gruppe auf, legt einen kleinen Zwischenspurt ein, als ein Gruppenmitglied sich spontan einer anderen Gruppe (also, der einzigen anderen Gruppe) anschließt und webt hier und da Hintergrundinformationen zu Geologie oder den Aborigine-Geschichten, die sich mit dem Canyon befassen, ein.

    Das ist der andere positive Effekt von einem Guide. Wenn man einen guten Führer hat, wird aus dem bloßen Angucken einer Sehenswürdigkeit viel mehr: Ein guter Guide kann einen toten Platz (und die meisten Sehenswürdigkeiten sind nun mal Stein, Holz und andere tote Dinge) zum Leben erwecken.

    Wir gehen durch eine Felsspalte, die mit einem Zwinkern von den Australien “Priscilla’s Crack” genannt wird, da sie im Film “Priscilla, Königin der Wüste” wohl prominent vorkommt. (Hab den Film immer noch nicht gesehen, trotz vieler VIELER Empfehlungen). Auf der anderen Seite geht es steile Holztreppen herunter in den Garten Eden. In einem kleinen Nebencanyon läuft ein noch kleinerer Fluss der dafür sorgt, dass inmitten dieser staubigen Bratpfannenlandschaft ein nasses, grünes, wucherndes, von Tieren und Pflanzen überquellendes Paradies enstanden ist.

    Wir stehen am Rande eines Wasserlochs und ich will nur schnell ein Panorama knipsen und dann reinspringen.

    “Übrigens, nur damit Ihr’s wisst, die Dinger sind schnell und giftig und können aggressiv sein.” Ich schaue vom Sucher auf um zu sehen, wovon Sid spricht. Am “Beckenrand” steht ein Leguan und guckt mich an. OK, das war’s dann wohl zum Thema schwimmen.

    Der Perentie jagd Kerstin zum allgemeinen Entertainment ein bißchen durch die Schlucht und dann geht es weiter über die Hochebenen rechts und links vom Canyon bis wir ein paar Stunden später beeindruckt, grinsend und völlig fertig wieder am Bus sind.

    Sid haut den ersten Gang rein und der iPod springt an.

    “We’ve got to get out of this place”. Billy Joel. John Lee Hooker. Eagles. Halb hinten sitzt ein kleiner deutscher Junge und kriegt Krämpfe im Gesicht vom Grinsen.

    ​Unsere Empfehlung:

    – Kings Canyon: Machen. Hammertour. Eine der schönsten Wanderungen, die wir jemals gemacht haben.

    – Macht die Tour mit einem Guide. Ohne die Hintergrundinfos ist es nur halb so schön. Außerdem ist das schon eine extreme Tour, bei der es sich empfiehlt, jemanden Ortskundigen dabei zu haben.

    – Wenn Ihr die Wahl habt, macht eine Tour (mit Campen z.B.) bei der Ihr im Morgengrauen loslauft. Erstens ist das Licht schöner zum Fotografieren und zweitens ist es weniger heiß.

    – Wie immer: lange Klamotten, Sonnencreme, breitkrempiger Hut, mindestens 1l Wasser pro Person und Stunde – d.h. 3-5l Wasser mitnehmen in den Kings Canyon!